30 Jahre Kerwe im "Katholischen Bahnhof"

Weinheim. In diesem Jahr kann nicht nur die Stadt Weinheim ein Jubiläum feiern, sondern auch die Kerwe in der Ulner-Stifts-Klause. Mit dem Ulner-Stift betreut die Pfarrgemeinde St.Laurentius ein historisch wertvolles Anwesen.

Die Weinheimer Adelsfamilie Ulner von Dieburg erbaute um 1350 zunächst die Wilhelm-Kapelle und später das Armen- und Altenspital. Der Gewinn der Kerwetage kommt stets der Erhaltung dieses Anwesens zugute. Das Kerweteam ist darüber hinaus bemüht, die Öffentlichkeit immer wieder auf dieses Kleinod aufmerksam zu machen. Es ist ihr Anliegen, dieses Ensemble in der historischen Form zu erhalten.

Seit 30 Jahren betreibt die Kirchengemeinde St. Laurentius dort an der Kerwe eine der traditionsreichsten Straußwirtschaften im Gerberbachviertel. Angefangen hat alles im April 1975. Die Pfarrjugend äußerte den Wunsch, das Anwesen Stadtmühlgasse zu bewirtschaften. Dieser Start war ein Erfolg, und so beschloss der Pfarrgemeinderat, auch weiterhin die Bewirtschaftung des Ulner-Stiftes durchzuführen.

Schnell wurde klar, dass der Hof alleine nicht mehr ausreichte. Mit vereinten Kräften, angefangen bei der Jugend bis zu den Älteren, wurden alle Kellerräume entrümpelt, gesäubert und eingerichtet. Es mussten Lagerräume geschaffen werden, und der Keller unter dem so genannten "Pförtnerhaus" wurde für die Gäste hergerichtet.

Der Zuspruch der Gäste wurde so groß, dass der Pfarrgemeinderat die Bewirt-schaftung nicht der Jugend alleine überlassen konnte. Die Organisation übernahm dann ein Team, welches sich bei vielen Pfarrfesten bewährt hatte. Aber die Jugend war immer im Helferkreis mit dabei.

In den vergangenen 30 Jahren haben an den vier Kerwetagen immer 70 bis 80 ehrenamtliche Helfer aus den Gemeinden St. Laurentius, Herz Jesu und St. Marien den Betrieb aufrechterhalten. Viele dieser Kerwebegeisterten aus der ersten Stunde sind noch heute dabei, und ein Teil der Jugendlichen aus der Gründungszeit stellt heute das Leitungsteam.

In den Streit um die Kerwe im Gerberbachviertel wurde im Jahre 1977 wegen ihrer Teilnahme auch die Pfarrei St. Laurentius mit hineingezogen. "Wenn aber eine Berechtigung besteht Kerwe zu feiern, dann in erster Linie von der Pfarrei, deren Kirchweihfest begangen wird. Wir lassen uns nicht zu Buhmännern stempeln", so der damalige Pfarrgemeinderat.

Von 1977 bis 1983 konnte die ehemalige Turnhalle im Anwesen Ulner Stift für einige Jahre an Kerwe mitbenutzt werden. Hier und auch im Hof sorgte die "Rentner-Band", den Älteren noch wohl bekannt, für die musikalische Umrahmung. Auch nicht zu vergessen sei das traditionelle Ochsenkopfessen am Sonntagmittag.

Im Laufe der folgenden Jahre wechselte das Leitungsteam noch dreimal. Jedes Mal übernahmen Jüngere die Verantwortung, und alle bereicherten das Fest mit neuen Ideen. Die Begeisterung der Helfer machten schließlich die Kerwe im Ulner Stift zum "Katholischen Bahnhof", wie es bald schon im Weinheimer Volksmund hieß.

1995 übernahmen jüngere Frauen und Männer der Gemeinden St. Laurentius und Herz Jesu die Leitung. Mit dabei sind Helfer der ersten Stunde. Dieses "Junge Team" brachte sehr viele gute Neuerungen ein. So kamen neue Speisen und dazu passende Weine auf die Karte, nicht zu vergessen am Sonntag der beliebte Streuselkuchen. Mit Begeisterung wurde von den Gästen aufgenommen, dass es von nun an jeden Abend Live-Musik gab. Die "Schönen Männer" und zehn Jahre "Jazz im Hof" am Montag sind nicht mehr wegzudenken. Hier fand sich sehr schnell ein begeistertes Stammpublikum ein.

Zunächst aber stand die Arbeit des jun-gen Teams unter keinem guten Stern. Denn die Verlagerung vieler Aktivitäten aus der Altstadt in Schlosshof und Schlosspark und die Erhöhung der städtischen Gebühren brachten für alle Straußwirtschaften im Gerberbachviertel größere Verluste. Deshalb dachten viele daran aufzuhören. In einem Schreiben des Pfarrgemeinderates und des Kerweteams St. Laurentius an den Oberbürgermeister wurde im April 1996 auf dieses Problem hingewiesen. Be-mängelt wurde auch, dass der traditionelle Begriff Kerwe in "Altstadtfest" umbenannt wurde.

In einem Gespräch zeigte der damalige OB für diese Sorgen Verständnis. Er betonte, dass die Stadt auf den Erhalt der Kerwe im Gerberbachviertel Wert legt. Dass heute die Kerwe in der Altstadt noch lebt und wieder attraktiver geworden ist, dürfte nicht zuletzt dem Stehvermögen und Einfaltsreichtum des jetzigen Kerweteams und des Kerwe- und Heimatvereins zu verdanken sein.



Quelle: www.wnoz.de

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