Ein Ort der Gottesverehrung und der praktizierten Nächstenliebe

Weinheim. (-ell) 28 Stufen führen vom Marktplatz in die Ulner-Kapelle hinab, deren Portal allerdings oft unentdeckt bleibt, weil der lebhafte Betrieb am Fuß des Marktplatzes die Blicke ablenkt. Wer sich allerdings ein bisschen länger mit der Jugendstilfassade des Wohn- und Geschäftshauses Hauptstraße 119 beschäftigt, wird über dem 1721 entstandenen barocken Hauptportal und zwei Engelsköpfen ein blaues Wappenschild entdecken mit einer silbernen Burgmauer, die von drei Türmen überragt wird. Der Beschauer steht vor dem Wappen der Ulner von Dieburg, die der Kapelle und dem dahinter liegenden Armenhospital ihren Namen gaben.

Aus Weinheims ältester Adelsfamilie, die sich von Winheim nannte, stammte Hildegund Schultheiß von Winheim. Sie lebte als "Gottgeweihte" - nicht als Nonne, sondern als Frau, die ein geistliches Leben führt, aber sich nicht auf Lebenszeit gebunden hat - im 14. Jahrhundert in Worms. Ihrem Bruder Johannes Schultheiß von Winheim überließ sie ihr gesamtes Vermögen mit dem Auftrag, eine in der Neustadt Weinheim gelegene Holzkapelle in Steinen neu aufbauen zu lassen. Johannes Schultheiß von Winheim erfüllte diesen Auftrag von der Zeit zwischen 1350 und 1367 und verband den Kirchenbau mit der Errichtung eines Armen- und Altenspitals im späteren Gerberviertel- Heute kennen wir die beiden historischen Gebäude als Ulner-Kapelle und als Ulner-Spital. Die Ulner-Kapelle gehört zu den neun Objekten, die am "Tag des offenen Denkmals" geöffnet werden.

Führungen in der Ulner-Kapelle finden am 8. September um 14 und 15 Uhr statt, geöffnet ist die Kapelle von 13.30 Uhr bis 18.30 Uhr. Karljosef Kropp, Autor des Buches, "Als der Storch vom Himmel fiel", führt in einen Gottesraum den er in vielen Gottesdiensten als Ministrant erlebte. In diesem Raum ist auch Weinheims ältestes Bildnisdenkmal zu sehen. Es stellt, im Stil mittelalterlicher Andachtsbilder, einen knienden und betenden Ritter dar. Dabei handelt es sich um das Grabmal Hartman Ulner von Dieburg, der als einzige Angehöriger der Familie 1502 in der Kapelle beigesetzt wurde. Am 1. August jährte sich sein Todestag zum 500. Mal (Wir haben berichtet). In der Ulner-Kapelle sind bis heute auch die Grabsteine von Johannes Schultheiß von Winheim, Erbauer der Kapelle und des Spitals, und seines Sohnes Johann zu sehen. Der jüngere Johannes, genannt Hamann, war mit einer Ulnerin von Dieburg verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos und damit starb 1407 das Geschlecht derer von Weinheim aus. Das reiche Erbe fiel an die Familie Ulner von Dieburg. Hamanns Grabstein zeigt die beiden Handfesseln als Abzeichen seiner Gerichtsgewalt und daneben das dreitürmige Wappen der Ulner von Dieburg.

Die Ulner machten 1454 und 1470 weitere Zustiftungen und gaben Hildegunds Stiftung ihren Namen. Durch Vertrag von 1467 wurde festgelegt, dass die Familie nur im Mannesgeschlecht das Pflegerecht besitzen sollte. Als 1771 der letzte männliche Ulner starb, blieben zunächst die weiblichen Nachkommen im Besitz der Stiftung, ehe die Regierung des Unterrhein-Kreises 1854 erklärte, dass sie von der Verwaltung des Stiftungsvermögens und von der Verfügung über deren Erträge auszuschließen seien. 1856 ordnete das Großherzogliche Badische Ministerium des Innern an, dass die Stiftung eine Distriktstiftung sei und deshalb von der Kreisregierung verwaltet werden sollte.

1905 wurde die Ulner-Kapelle mit den Spitalgebäuden und Spitalgrundstücken einer kirchlichen Stiftung zugewiesen: dem Ulner-Fonds, der bis heute vom Pfarramt St. Laurentius verwaltet wird. Das übrige Stiftungsvermögen bildete fortan die weltliche "Freiherr von Ulner'sche Stiftung". Sie wurde dem Großherzoglichen Verwaltungshof unterstellt. Seit 1979 ist sie eine kommunale Stiftung des Rein-Neckar-Kreises und wird vom Kreiskämmerer verwaltet. Die Stiftungserträge werden zur Unterstützung von armen und kranken Einwohnern des Rhein-Neckar-Kreises verwendet.


Quelle:
www.wnoz.de

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